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Iss, damit du was wirst

Das Wichtigste neben der Liebe der Familie und Schlafen ist für Babys Essen. Sonst können sie nicht wachsen und gedeihen. In unseren ersten Lebensjahren lernen wir erstmal von unserer Umgebung und machen nach, denn wir wissen es ja noch nicht besser.

Und so kann es gut sein, dass man auch erstmal die Essensgewohnheiten der Familie übernimmt, egal, ob sie zu einem passen oder nicht.


In der Zeit, als ich verzweifelt versucht hatte abzunehmen, aber immer nur zunahm, wurden mir Glaubenssätze bewusst, die ich im Bezug auf Essen und Kochen von meiner Familie übernommen hatte.



Meine heißgeliebte Omi zum Beispiel fand schlanke Menschen immer garstig. So klapprig. Wie wenn sie beim nächsten Lufthauch auseinanderfallen würden und nichts aushalten könnten. Deswegen war es ihr auch immer sehr wichtig, dass man ordentlich aß. Sie konnte super lecker, aber nicht unbedingt figurfreundlich, kochen.

Wenn wir bei ihr waren, mussten wir zwei randvolle Teller mit Essen verschlingen. Das war noch ok. Nur einen Teller voll zu essen war eine Beleidigung.

Sie fragte dann immer, ob das Essen nicht gut sei.


Doch Omi, ich hab nen ganzen Teller voll gegessen und es war sehr gut, aber ich bin einfach satt.

Na warte, du, für dich hab ich das letzte Mal gekocht. Ich steh den ganzen Tag in der Küche und koch und dann isst du nur einen Teller davon? Für wen hab ich das alles gemacht??

Ja, Omi, aber, ähm, wir sind nur vier Personen hier beim Essen und du hast wieder für zwölf ausgewachsene Schwerstarbeiter gekocht??


Ehe ich mich versah, klatschte sie mir weiter das Essen auf den Teller. Seufzend gab ich nach. Mein Bruder und ich waren dann immer so vollgefressen, dass wir uns kaum zu unseren Schnürsenkeln bücken konnten. Und ich betete immer, wenn wir mit dem Aufzug wieder runterfuhren, dass er nicht aufgrund unserer Völlerei abriss und mit uns in die Tiefe sauste. Spaß. Bis zur 320 kg Marke zulässiges Höchstgewicht war es dann doch noch ein bisschen.


Bei meinen Eltern hatte ich genau ein einziges Mal freiwillig aufgegessen, obwohl ich schon sehr voll war. Danach baten sie mich, nur noch soviel zu essen, bis ich satt war, nachdem sie meinen gesamten Mageninhalt wieder von der Couch kratzen mussten.


Mein Opa konnte kein Essen wegschmeißen. Wenn etwas wirklich verdorben war, musste es einer von uns in geheimer Mission gut verpackt entsorgen, damit er nicht erkennen konnte, was weggeschmissen wurde, sonst regte er sich fürchterlich auf.



Laut ihm hätte man das doch noch irgendwie hätte essen können, selbst wenn der Schimmel den Opa schon beim Vornamen begrüßte und den Hut vor ihm zückte. Wieder Spaß.



Bevor es ein bisschen ernster wird…


Oma und Opa haben den Krieg miterlebt. Noch dazu sind sie in einer Zeit aufgewachsen, in der es nicht unbedingt Essen in Hülle und Fülle gab, sofern man es nicht selbst angebaut, geerntet oder geschlachtet hatte. Und das war ja dann auch wieder von der Natur und Saison abhängig, was und wieviel es gab. Oder ob es überhaupt etwas gab...


Ich hatte meine Kindheit hauptsächlich bei meinen Großeltern verbracht, da meine Eltern viel arbeiten mussten. Irgendwann hatte sich dann die Drehorgel mit der ewig gleichen Leier in meinem Unterbewusstsein manifestiert:


  • der Kühlschrank muss immer brechend voll sein

  • man schmeißt kein Essen weg

  • du musst mehr essen, damit aus dir was wird und so weiter

Jup, irgendwann bin ich dann tatsächlich was geworden – nämlich übergewichtig.

Hmmmmm….was macht man denn da, wenn man als Kind so irritiert ist, wie man jetzt richtig oder falsch isst? Groß und stark werden? Oder doch lieber Essen stehen lassen…ne dann kommt der Opa wieder und inhaliert meine Essensreste, nur damit sie nicht weggeschmissen werden, obwohl seine Arbeitslatzhose schon bedrohlich über dem Bauch spannt. Und nicht zu vergessen die Situation, in der ich alles auf die Couch gek….ihr wisst was ich meine.


Gut, dann trainier ich halt, dass ich möglichst viel und noch drüber essen kann, auch wenn ich schon satt bin, mit dem Ziel, alles drinnen zu behalten.


Gesagt getan. Ich war jahrelang Meisterin im Überfressen. Jah-re-lang! Ich hatte die Eigenschaft von Oma, immer zuviel zu kochen. Dann natürlich das Thema vom Opi, nix wegzuschmeißen und im Hinterkopf immer das Unglück auf der Couch, dass meine Eltern säubern mussten.

Und, dass das eigentlich total ungesund ist, was ich da machte.


Selbst jetzt muss ich mich manchmal noch selbst daran erinnern, dass ich in der Küche eine Gefrierkühlkombi stehen habe, die alles bis zum nächsten Hunger für mich aufbewahrt.


Am Einfachsten ist für mich, weniger Essen zuzubereiten. Am Besten für einmal Essen, denn ich mag nicht so gerne Aufgewärmtes. Wie die Omi, die hat auch jeden Tag frisch gekocht, auch wenn der Kühlschrank noch vom Gekochten der Vorvorwoche voll war. Oma war übrigens eine absolute Kühlschrank-Tetris-Meisterin. Und wenn du dachtest, der Kühli ist voll, fand Oma immer noch eine Lücke, wo sie etwas hinstellen konnte. Wenn ich was suchte, konnte sie mir immer genau das Fach und die fast schon architektonisch präzise Position nennen und was ich anstatt dessen hinstellen müsste, damit nichts aus dem Essensturm zusammenkrachte.


Ich kaufe auch so ein, dass ich dann nichts wegschmeißen muss, sondern alles verbrauche oder einfrieren kann. Denn dadurch mache ich mir immer wieder bewusst, wie gut wir es heutzutage haben, dass wir einfach in den Supermarkt marschieren und uns jederzeit bedienen können. Und fühle eine große Dankbarkeit dafür, auch wenn es für viele selbstverständlich ist.


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